Im Jahre 1974 erließ der US-Kongress ein Gesetz
(PL 93-531), welches ein bis dahin von Hopi und Navajo
gemeinsam genutztes Gebiet, die sogenannte „Joint Use Area“
(JUA), in zwei Teile zerschnitt. Durch das Gesetz wurde das
den Hopi zugewiesene Land (Hopi-Partitioned-Land/HPL) der
Hopi-Reservation, das den Navajo zugewiesene Land (Navajo-Partitioned-Land/NPL)
der Navajo-Reservation zugeschlagen. 24 Hopi-Familien und etwa
10.000 Navajo, die danach auf der „falschen“ Seite lebten,
sollten umgesiedelt werden. Während sich für die Hopi
relativ leicht eine Lösung fand, formierte sich bei den
betroffenen Navajo Widerstand.
Wie so oft, geht es auch bei diesem Konflikt um Rohstoffabbau.
Mitte der 50er Jahre wurden innerhalb der JUA riesige
Vorkommen an Steinkohle entdeckt, die der Konzern Peabody Coal
Company (PCC) abbauen wollte. Dazu musste auf indianischer
Seite ein Partner für den Abschluss der notwendigen
Pachtverträge gefunden werden. Da in der JUA keiner der
beiden Stammesräte das alleinige Verfügungsrecht hatte, warf
dies Probleme auf. Peabody überzeugte schließlich die
Regierung in Washington D.C., dass es das Beste sei, die JUA
einfach zu teilen und den jeweils bereits bestehenden
Reservationen der Hopi und Navajo zuzuordnen. Das Ergebnis war
P.L. 93-531, und der Konzern hatte seine Verhandlungspartner.
Da die Kohle im Tagebau abgebaut wird, mussten aber auch die
bisherigen Bewohner des Abbaugebietes weichen. Insbesondere
für die Navajo, die hier noch in der traditionellen Weise als
Schaf- und Ziegenhirten lebten und umherzogen, hätte dies den
Verlust ihrer Wirtschaftsweise und der damit eng verknüpften
Kultur bedeutet. Daher setzten und setzen sie sich gegen die
Umsiedlung zur Wehr: Sie befinden sich im Widerstand gegen
mehrere Fronten, gegen den Stammesrat der Hopi, der nach den
Pachteinnahmen greift, gegen den Staat, der sein Gesetz
durchdrücken will, und natürlich auch gegen Peabody Coal.
Auch vom Navajo-Stammesrat erhielten sie kaum Unterstützung.
Nur wenige Navajo glaubten anfangs den Versprechungen aus
Washington D.C. und zogen freiwillig in die an den Grenzen,
aber außerhalb des Reservates gelegenen Städte. Die meisten
von ihnen stellten sehr schnell fest, dass sie in dieser
vollkommen fremden Welt nicht zurechtkamen. Vielfach waren
Alkoholismus, Depressionen und Suizid die Folgen. Dass auch
die von der Regierung zugesagten Entschädigungen häufig
nicht ausgezahlt wurden, sei hier am Rande vermerkt.
Druck auf Umsiedlungsgegner
Um den Willen der auf der JUA verbliebenen Navajo zu brechen,
reduzierte die US-Regierung per Gesetz den Bestand der
Viehherden um 80 Prozent. Da eine Familie aber mit so wenigen
Tieren ihren Lebensunterhalt nicht sichern kann, sind die
Herden in der Regel so groß wie eh und je. Bis heute wird
daher bei vielen Navajo-Familien „überschüssiges“ Vieh
konfisziert. Ebenso wurde den Navajo, die in der JUA bleiben
wollten, untersagt, ihre Häuser instand zu halten oder neue
zu bauen.
Eine besonders drastische Maßnahme für Bewohner einer
Halbwüste war auch, dass dringend notwendige natürliche
Quellen und Teiche zugeschüttet wurden. Viele Navajo mussten
auf andere, weiter entfernt liegende, Wasserstellen
ausweichen. Heute gibt es in der betroffenen Gegend kaum noch
natürliche Wasservorkommen. Quellen, die nicht zugeschüttet
wurden, sind durch die bereits ausgebeuteten Kohleminen von
Peabody u. a. mit Schwermetallen kontaminiert und somit für
Trinkwasser nicht mehr nutzbar sind. So sind die Navajo auf
dem HPL-Gelände gezwungen, für sich und ihr Vieh
Trinkwasservorräte von weit her zu holen. Entfernungen von
bis zu 50 km sind dabei keine Seltenheit. Die Navajo fühlen
sich mit der Erde, auf der sie wohnen, auch spirituell sehr
eng verbunden. Sie sehen sich durch die drohende
Zwangsumsiedlung in der Ausübung ihrer Religion
beeinträchtigt. Freiheit der Religionsausübung jedoch
gehört zu den in der US-Verfassung verbrieften Grundrechten,
wobei die indianischen Religionen ausdrücklich eingeschlossen
sind. Die Umsiedlungsgegner unter den Navajo klagten daher mit
Verweis auf dieses Grundrecht auf Rücknahme des PL 93-531. In
erster Instanz wurde ihre Klage verworfen. Dagegen legten sie
bei einem Appellationsgericht Widerspruch ein. Der zuständige
Richter ordnete Verhandlungen zur Lösung des Problems an und
brachte so alle Beteiligten an einen Tisch.
Mehr als nur ein »Stammeskonflikt«
Während auf der einen Seite die von der Umsiedlung bedrohten
Navajo saßen, versammelte sich auf der Gegenseite eine
geballte Macht: die US-Regierung, der multinationale
Peabody-Konzern und der Hopi-Stammesrat. Während die Navajo
von ihrem eigenen Stammesrat kaum unterstützt wurden,
beschäftigte die Gegenseite Anwaltskanzleien und
Lobby-Unternehmen, um ihr Vorhaben in das rechte Licht zu
rücken. Diesen gelang es, die Öffentlichkeit glauben zu
machen, dass es um die Schlichtung eines Jahrhunderte langen
Streites zwischen Hopi und Navajo gehe, der durch
Landaufteilung nun endgültig beigelegt werden könne.
Dem widersprechen allerdings nicht nur die traditionellen
Navajo sondern auch die traditionellen Hopi, die ebenfalls
nicht mit ihrer Stammesregierung konform gehen. Sie weisen
seit Jahren immer wieder darauf hin, dass es zwischen ihnen
keinen Streit gibt, und dass das ganze Verfahren lediglich
dazu dienen soll, das künftige Kohleabbaugebiet von seinen
Bewohnern zu räumen.
Die vom Berufungsgericht angeordneten Verhandlungen führten
zur Abfassung eines Abkommens, das nun auch den Navajo
vorliegt und von jedem der Bleibewilligen unterzeichnet werden
soll. Es wird von ihnen jedoch abgelehnt. Roberta Blackgoat,
eine der führenden Persönlichkeiten des Widerstands, nennt
die Gründe:
- Das Abkommen sichert den betroffenen Navajo auf ihrem
angestammten Land lediglich für 75 Jahre ein Nutzungs-
und Wohnrecht zu; gefordert war dagegen eine unbefristete
Lösung.
- Die auf dem HPL-Land zurückbleibenden Navajo müssten
unter Hopi-Regierungsgewalt leben, ohne diese, z.B. bei
Stammesratswahlen, selbst beeinflussen zu können.
- Die Vereinbarung verletzt das Recht auf freie
Religionsausübung, da sie das Sammeln von Materialien,
die für eine Zeremonie oder den Bau heiliger Stätten
notwendig sind, genehmigungspflichtig macht.
- Den traditionellen Navajo wird nicht erlaubt, ihre Toten
nach den überlieferten Gebräuchen zu bestatten.
- Das Abkommen zielt darauf hin, rechtliche Möglichkeiten
zu schaffen, um die Unterzeichner letztlich doch
Zwangsumsiedeln zu können. So soll es z.B. möglich sein,
jeden Unterzeichner ohne Einspruchsrecht zwangsweise
umzusiedeln, wenn er oder sie innerhalb von 15 Jahren
gegen eine Bestimmung des Abkommens verstößt, selbst
wenn es sich um Geringfügigkeiten handelt.
Rechtsverständnis à la Peabody
Um Kohle abbauen zu dürfen, benötigt Peabody neben besagtem
Pachtvertrag mit dem entsprechenden Stammesrat auch die
Genehmigung der zuständigen Bergbaubehörde (Office of
Surface Mining/ OSM). Zur Erteilung einer langfristigen
Genehmigung müssen dabei bestimmte Vorschriften z.B.
hinsichtlich des Umweltschutzes eingehalten werden. Um diese
zu umgehen, bedient sich Peabody eines Tricks. In
Ausnahmefällen lässt das Bergbaugesetz befristete
Abbaugenehmigungen über maximal fünf Jahre zu. Diesen „Ausnahmezustand“
ließ sich Peabody in den Fördergebieten nördlich des Big
Mountain immer wieder verlängern, so dass der Konzern dort
seit 20 Jahren aktiv ist, ohne die Umweltschutzauflagen
erfüllen zu müssen.
Zuletzt wurde die Genehmigung von der OSM im Juli 1995 um
weitere fünf Jahre verlängert. Dagegen zogen die betroffenen
Anwohner vor das Verwaltungsgericht. Im März 1996 erlebten
Peabody und OSM eine böse Überraschung. Richter Ramon Child
erklärte die erteilte Genehmigung für unwirksam. Neben
anderen Argumenten führte er als Hauptgrund für seine
Entscheidung an, dass die Zustimmung der vom Kohleabbau
betroffenen Anwohner fehlte. Auch wenn ihnen das Land nicht im
Sinne von Privatbesitz individuell gehöre, so Richter Child,
sondern als Reservatsland dem jeweiligen Stamm, sei ihre
Zustimmung als Nutzer des Landes einzuholen.
Da Peabody aufgrund dieser Entscheidung befürchten musste,
auch im weiteren Verfahren zu unterliegen, zog man
Konsequenzen. Kurz nach der Urteilsverkündung wurde Richter
Child „versetzt“. Selbst ein offizieller Vertreter des
Navajo-Stammes bestätigte die Vermutung, dass dies auf Druck
von Peabody Coal veranlaßt worden war.
Zwangsumsiedlung auf Umwegen
Weiterhin wurde im Eilverfahren ein Gesetzesentwurf im
US-Senat erarbeitet, der die nach wie vor auf HPL-Land
lebenden Navajo zwingen soll, bis Jahresende das oben genannte
Abkommen zu unterzeichnen. „Wer bis zum 31. 12. 1996 das
Abkommen nicht unterzeichnet hat, ist ein Gesetzesbrecher und
wird entsprechend behandelt“, so die Vertreterin des
US-Justizministeriums, Katherine Hazard. Das bedeutet im
Klartext, dass diejenigen Navajo, die die Unterschrift
weiterhin verweigern, mit ihrer sofortigen Zwangsumsiedlung
rechnen müssen.
Die Mehrheit der ursprünglich von der Landaufteilung
betroffenen 10.000 Navajo ist bereits – anfangs freiwillig,
später aufgrund des Drucks und der Repressalien offizieller
Stellen – vom HPL-Land fortgezogen. Die Zukunft dieser
schätzungsweise 2000 Menschen ist ungewiss. Ebenso unsicher
sind die Aussichten für die, die bleiben wollen. Sollten sich
die USA in der UN-Dekade der indigenen Völker nicht doch noch
ihrer eigenen Verantwortung bewusst werden, ist zu
befürchten, dass der Peabody-Konzern sein Ziel bald erreicht
haben dürfte. |