Vorwort
Viele der heutigen Probleme zwischen den verschiedenen
Indianervölkern und den Vereinigten Staaten von Amerika
haben ihren Ursprung in der Indianerpolitik, die die
Amerikaner bei ihrer Gründung von den Kolonialmächten
übernommen haben. Um daher die heutige Situation besser
verstehen zu können, erscheint es notwendig, die
letzten 200 Jahre unter diesem Gesichtspunkt näher zu
betrachten. Die Beziehungen zwischen den Indianern
und den USA befinden sich in einem fortwährenden Wandel
und sind nach wie vor den politischen Zwängen der
jeweiligen Zeit unterworfen. In der Regel versuchte die
Regierung in Washington die Souveränität der einzelnen
Indianervölker einzuschränken, um damit gleichzeitig
ihre eigene Macht zu stärken.
Von dem einstigen Land, das von den Ureinwohnern
Nordamerikas bei der Ankunft von Kolumbus im Jahre 1492
bevölkert gewesen war, sind in den USA heute nur noch
2,3% übriggeblieben. Vor allem im letzten Jahrhundert,
als die Vereinigten Staaten sich als Nation etablierten,
setzte eine verheerende Gier nach Indianerland ein.
Die Gründung der USA
Im Jahre 1776 erfüllte sich nach jahrelangen
Auseinandersetzungen für die Bewohner der
Neu-England-Kolonien ein Traum: Sie wurden unabhängig
vom Mutterland; die Vereinigten Staaten von Amerika
waren geboren. Ab jetzt sollte jeder Bürger die
gleichen Rechte besitzen. Allerdings galt dies nicht
für die Ureinwohner des Kontinents, hier setzten die
USA die Politik der ehemaligen Kolonialherren fort. Die
Indianer wurden nur dann als gleichberechtigt anerkannt,
wenn die Amerikaner ihrer bedurften. Man vertrieb und
ermordete sie aber, sobald sie sich dem weißen
Vorwärtsdrang in den Weg stellten. Im Jahre 1763
verkündete Georg III von England in seiner "Royal
Proclamation", dass die Indianer einen
uneingeschränkten Anspruch auf das von ihnen bewohnte
Land besäßen. Gleichzeitig wurden die Appalachen zur
Grenze erklärt, welche das "Indianergebiet"
im Westen von den Siedlungen der Weißen im Osten
trennte. Durch die "Northwest Ordinance"
(Nordwest-Verordnung) von 1787 bekräftigten die USA ihr
damaliges Verhältnis zu den indianischen Völkern
("Das stets gute Vertrauensverhältnis gegenüber
den Indianern soll immer gewährleistet bleiben; ihr
Land und ihr Besitz soll ihnen niemals ohne ihre
Zustimmung weggenommen werden"). Nach dem
Unabhängigkeitskrieg gegen die englische Krone waren
die Vereinigten Staaten von Amerika noch zu schwach, um
sich ernsthaft mit den Indianern auseinandersetzen zu
können. Erst die endgültige Niederlage der Engländer
im Jahre 1812 machte den Weg frei für eine neue
Indianerpolitik der USA. Die immer stärker werdende
Forderung der Siedler nach Land Anfang des 19.
Jahrhunderts brachte die Bundesregierung in Zugzwang,
zumal der "Lousiana Purchase" von Frankreich
im Jahre 1803 und der Erwerb von Florida wenige Jahre
später die Fläche der Vereinigten Staaten verdoppelte. |
Die Zeit des »Indian
Removal«
Die US-Regierung ging bei ihren Überlegungen davon aus,
dass ein Miteinander von Indianern und Weißen auf Dauer
nicht möglich sei und die Existenz der Indianervölker
wegen der immer weiter nach Westen vorrückenden Grenze
nur dann gesichert werden könnte, wenn man die Indianer
in die weit entfernten Gebiete westlich des
Mississippi/Missouri umsiedeln würde. Damit sahen
sich die Indianer mit einer dramatischen Veränderung in
der Politik der Vereinigten Staaten konfrontiert.
Bereits 1806 begannen die ersten Umsiedlungen der
Ureinwohner. Obwohl meist Verträge zwischen den
Indianern und der Regierung in Washington die Grundlage
für solche Aktionen bildeten, kann keineswegs von einem
"freiwilligen" Verlassen der Heimatgebiete der
Indianer ausgegangen werden. In den meisten Fällen
hatten die Indianer keine andere Wahl, da ihnen
ansonsten militärische Strafaktionen drohten.
Abgelöst wurde diese Vorgehensweise durch den
"Indian Removal Act" (Gesetz zur Umsiedlung
der Indianer) von 1830. Mit dieser
"gesetzlichen" Grundlage hatte die USA jetzt
die Möglichkeit, die Indianer jederzeit nach eigenen
Vorstellungen umzusiedeln, ohne die Betroffenen fragen
zu müssen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 50
Völker ihr angestammtes Heimatland verlassen müssen.
Die neue Einstellung gegenüber den Indianern erhielt
1828 einen offiziellen Anstrich, als der Bundesrichter
John Marshall in einem Urteil entschied:
"Indianerstämme wären vielleicht besser als
einheimische, abhängige Nationen zu bezeichnen, weil
sie ein Gebiet besitzen, auf das wir (die USA)
unabhängig von ihrem Willen einen Anspruch erheben, der
bezüglich der Besitznahme dann wirksam wird, wenn ihr
Besitzrecht aufhört. Mittlerweile befinden sie (die
Indianer) sich in einem Stadium der Bevormundung. Ihre
Beziehung zu den Vereinigten Staaten ähnelt jener
zwischen einem Mündel und seinem Vormund."
Bereits nach fünf Jahren konnte der damalige
amerikanische Präsident und als
"Indianerhasser" bekannte Andrew Jackson
befriedigt feststellen, dass es, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, in der östlichen Hälfte der Vereinigten
Staaten keine Indianer mehr gab. Mit der Aufsicht
der Umsiedlungsaktionen wurde das am 11.3.1824 im
Kriegsministerium geschaffene "Office of Indian
Affairs", (Büro für Indianerangelegenheiten)
beauftragt. Im Jahre 1849 wurde diese Behörde in das
Innenministerium verlagert und heißt seit dieser Zeit
"Bureau of Indian Affairs" (BIA). Für die
meisten Indianervölker war bereits der Marsch in ihre
neue Heimat ein tragisches Ereignis. Traurige
Berühmtheit erlangte der "Trail of Tears"
(Marsch der Tränen) der Cherokee. Auf ihrem langen Weg
in das "Indian Territory", dem heutigen
Bundesstaat Oklahoma, starben bereits mehr als 3.500
Männer, Frauen und Kinder, rund 1/4 der
Gesamtbevölkerung der Cherokee.
"Sie machten uns viele Versprechungen, mehr
als ich aufzählen kann. Sie haben niemals eine
gehalten, bis auf diese: Sie versprachen, unser Land zu
nehmen, und sie haben es genommen."
Red Cloud, Häuptling der Oglala-Lakota
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Doch kaum hatten sich die
zwangsweise umgesiedelten Stämme in den Gebieten
niedergelassen, waren sie wiederum der amerikanischen
Expansion nach Westen im Wege. Nachdem sich das Gebiet
der USA nach ihrem Krieg mit Mexiko Mitte des letzten
Jahrhunderts erneut deutlich vergrößert hatte und
darüber hinaus in Kalifornien Gold gefunden worden war,
setzten die Amerikaner ihren Weg nach Westen weiter
fort. Allerdings trafen sie jetzt auf erheblich mehr
Widerstand durch die Indianer. Vor allem nach den
Kriegen mit den Plainsbewohnern waren die USA gezwungen,
Verträge abzuschließen, deren Inhalt nun nicht mehr
allein sie bestimmten. Allerdings konnten auf Dauer auch
diese Stämme den anhaltenden Expansionsdruck der
Weißen nicht standhalten und die Gegenwehr der Indianer
war auch hier bald durch die Armee unterdrückt.
Die Situation in der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts
Es begann nun die Zeit der Reservationsgründungen. Die
Idee, Indianern Land ausschließlich zur eigenen Nutzung
zur Verfügung zu stellen, war nicht neu. Bereits im
Jahre 1638 war die erste Reservation eingerichtet
worden. Allerdings besaßen die Indianer da aber noch
ihre eigene Souveränität über dieses Gebiet. Nun
jedoch waren sie der vollkommenen Kontrolle durch die
Regierung der USA unterworfen. Um die eigene Macht
über die Indianer noch mehr auszudehnen, verabschiedete
der amerikanische Kongress im Jahre 1871 der
"Indian Appropriations Act" (Aneignungsgesetz)
und beendete die über 100jährige Periode der
Vertragsabschlüsse mit den Indianern. Damit wurde den
bis dahin als souveräne Völker anerkannten
Indianerstämmen dieser Status einseitig durch die
Vereinigten Staaten aberkannt, und man machte die
Ureinwohner gleichzeitig zum Spielball der
amerikanischen Gesetzgebung. Das Änderungsgesetz
besagt aber auch, dass sämtliche bis zum 3.3.1871 mit
den verschiedenen Indianervölkern abgeschlossenen
Verträge weiterhin ihre Gültigkeit behalten sollten.
Mit dieser Aussage sind alle bis dahin abgeschlossenen
und vom US-Kongress ratifizierten Abkommen mit den
Indianern völkerrechtlich nach wie vor bindend.
Allerdings hatten die USA mit den nach 1871
verabschiedeten Vorschriften und Verordnungen diese
Verträge verwässert oder zu ihren Gunsten
umgedeutet. Diese Politik der einseitigen
Vertragsveränderungen ist daher bis heute noch vielfach
Anlass zum Streit zwischen den Indianern und der
Bundesregierung in Washington. Viele Stämme beharren
nach wie vor auf die Einhaltung der ursprünglichen
Verträge. |
General Allotment Act
Obwohl nach 1871 durch die unterschiedlichsten Gesetze,
Erlasse und Verordnungen die Gesamtfläche der
Reservationen bereits erheblich geschrumpft war, stellte
der am 8.2.1887 verabschiedete "General Allotment
Act" (Allgemeines Landaufteilungsgesetz) den
einschneidensten Angriff auf die verbliebenen
Lebensräume der Indianer dar.
Ausgehend von dem Gedanken, dass die Ureinwohner in die
amerikanische Gesellschaft eingegliedert werden müssten,
und der Tatsache, dass Gemeineigentum an Land, so wie es
die Indianer kannten, den nach individueller Freiheit
strebenden Amerikanern suspekt war, ging man mit dem
"General Allotment Act" dazu über, das bis
dahin dem einzelnen Stamm gehörende Land an seine
Bewohner aufzuteilen. Hauptziel des Gesetzes war es, die
Indianer zu Farmern zu erziehen. Jedes Familienoberhaupt
bekam nach diesen Bestimmungen 64 ha Land (1 ha = 10.000
m2), jeder Alleinstehende 32 ha, und jeder Jugendliche
unter 18 Jahre hatte Anspruch auf 16 ha. Der
Eigentumstitel der Indianer an dem jeweiligen Grund und
Boden sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers
erst nach 25 Jahren übertragbar sein. Bis dahin blieb
das Land Eigentum der einzelnen Familien, wurde aber vom
Büro für Indianerangelegenheiten verwaltet. Das
bei dieser Aufteilung übriggebliebene Reservationsland
wurde vom BIA – meist an Weiße – recht preiswert
verkauft. Dadurch gingen den Indianern noch einmal ein
Großteil ihres bisherigen Gebietes verloren.
Da die meisten Ureinwohner die Umstellung vom Jäger zum
Farmer nicht schafften, mussten viele von ihnen nach
Ablauf der 25-Jahres-Frist aus wirtschaftlicher Not ihr
Land aufgeben. Verstärkt wurde dieser Prozess noch
durch die Tatsache, dass sich vielfach der den Indianern
übereignete Grund und Boden nicht zur Landwirtschaft
eignete. Der Verkauf des Eigentums wurde ebenfalls
von der Indianerbehörde vorgenommen. Dadurch verloren
die Indianer bis 1932 noch einmal rund 2/3 ihres Landes.
Auch entschied das BIA über die Zuteilung des durch den
Verkauf erzielten Erlöses. So wurden den Indianern
oftmals Beträge in einer Höhe ausgezahlt, die nur
unwesentlich über der staatlichen Almosenunterstützung
lagen. Damit war es den Indianern auch nicht möglich,
das Geld sinnvoll nach ihren eigenen Vorstellungen
einzusetzen.
Auf Grund des im Jahre 1928 veröffentlichten "Meriam
Reports" wurde der Regierung in Washington klar,
welches furchtbare Ausmaß der "General Allotment
Act" für die Betroffenen angenommen hatte. |
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Um dieses Elend zu
beseitigen, waren Reformen unbedingt notwendig. Der
»New Deal« Unter der Federführung von John Collier,
Leiter des Büros für Indianerangelegenheiten, wurden
neue Vorstellungen entwickelt. Sie mündeten 1934 in die
Verabschiedung des "Indian Reorganization Act".
Dieses Gesetz empfahl der US-Regierung einige positive
Schritte für die Indianer einzuleiten, die durch den
"Indian Citizenship Act" (Gesetz über die
Staatsbürgerschaft der Indianer) seit 1924 US-Bürger
waren. So wurde die Politik der Landaufteilung gestoppt
und das Landeigentum der Stämme wieder zugelassen.
Weiterhin durften die Reservationsbewohner ihre eigene
Regierung und ihr eigenes Parlament nach den
Vorstellungen des demokratischen Amerikas wählen, auch
konnten sie sich eine eigene Verfassung geben.
Allerdings wurde damit gleichzeitig das alte
Häuptlingssystem abgeschafft.
Gerade dieser Punkt führte bei vielen Ureinwohnern zur
Skepsis und Ablehnung gegenüber den Neuerungen, hatten
sie doch in der Vergangenheit immer wieder schlechte
Erfahrungen mit den Versprechungen der Regierung machen
müssen. Die Befürchtung, dass sie wiederum einen Teil
ihrer Identität aufgeben müssen, war sehr groß. So
gab es gerade in den Anfängen auf vielen Reservationen
neben der neuen Regierungsform noch das traditionelle
System. Heute findet man allerdings immer mehr auch
traditionell eingestellte Indianer, die Positionen
innerhalb des Stammesrates bekleiden. Diese neue
Form der Selbstverwaltung und Eigenständigkeit war aber
durch das Vetorecht der Bundesregierung nach wie vor an
das Wohlwollen der Amerikaner geknüpft; Entscheidungen
waren nur im Einverständnis mit dem Büro für
Indianerangelegenheiten wirksam. Erstmals war es
jetzt den Indianern möglich, innerhalb des BIA eine
Arbeit zu erhalten. Auch stellte die US-Regierung Gelder
für landwirtschaftliche und industrielle Projekte zur
Verfügung. Diese positiven Ansätze einer
veränderten Indianerpolitik waren jedoch nicht von
langer Dauer. Bereits 1941 begann sich der alte Geist
der Indianerpolitik wieder durchzusetzen. |
Die »Indian Claims
Commission«
Um sich des Problems der ungeklärten
Landrechtsansprüche der Indianer endgültig zu
entledigen, wurde im Jahre 1946 die "Indian Claims
Commission" eingerichtet. Diese Kommission hatte
die Aufgabe, alle Gebiets- und Reparationsansprüche der
Indianer, die sich aus den früheren Verträgen zwischen
den einzelnen Indianerstämmen und den USA ergaben, ein
für allemal zu klären und abzugelten. Die Rückgabe
des unrechtmäßig angeeigneten Landes war dabei nicht
vorgesehen. Vielmehr sollten die Indianer eine
finanzielle Entschädigung erhalten, deren Höhe sich
nach dem Wert des Grund und Bodens zum Zeitpunkt der
Aneignung durch die Amerikaner richtete und somit um ein
vielfaches unter dem tatsächlichen Verkaufswert lag.
Bereits nach kurzer Zeit war offensichtlich, auf welchem
unsicheren Boden die Vereinigten Staaten von Amerika
gebaut worden waren. Die von der Regierung eingesetzte
Kommission musste eine Landforderung nach der anderen
anerkennen. Es ist schon eine brisante Vorstellung, wenn
man bedenkt, dass den Ureinwohnern in einigen
Bundesstaaten ( z.B. Kalifornien und Florida) teilweise
bis zu 80% des Landes zugesprochen worden sind.
Die zunehmende Zahl der von der Indian Claims Commission
anerkannten Landrechtstitel und die immer stärker
werden konservativen Kräfte in den USA führten Anfang
der 50er Jahre wieder zu der Forderung, die Indianer
stärker in die weiße Gesellschaft zu integrieren.
Termination
Unter diesem Druck verabschiedete der Kongress am
9.6.1953 die Resolution Nr. 1084. In ihr wurde
festgelegt, den Sonderstatus der Indianer auf den
Reservationen aufzuheben. Die Ureinwohner sollten mit
den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet werden,
die für jeden anderen amerikanischen Staatsbürger auch
galten. Ebenfalls fielen die den
Reservationsbewohnern gewährten Vergünstigungen weg. |
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Allerdings wurde hierbei
wohlwollend übersehen, dass diese
"Vergünstigungen" vertragliche
Verpflichtungen der Vereinigten Staaten darstellten, die
als Gegenleistung zu Landabtretungen an die USA den
Indianern zu erbringen waren. Vor allem die Programme im
sozialen und Bildungsbereich waren Opfer dieser
Resolution. Diese Politik hatte für die
betroffenen Indianer katastrophale Folgen. Sie verloren
nicht nur ihre im geringen Maße vorhandene
Eigenständigkeit, sondern noch nahezu ihr gesamtes
Reservationsland. Damit wurde ihnen ihre bisherige
Lebensgrundlage fast vollständig entzogen. Vor allem in
den stark konservativen Bundesstaaten, wie z.B.
Kalifornien (der Grund ist auch in den von der Indian
Claims Commission anerkannten enormen Landansprüchen zu
suchen) führte dies zur fast vollständigen Auflösung
der noch vorhandenen Indianerlandes und zur
"Stadtflucht" seiner Bewohner. In der
Zeit von 1954 bis 1962 kam es so zur Auflösung von mehr
als 100 Stämmen. Das allgemeine Elend und die
Verzweiflung der Indianer nahmen zu und schlugen
allmählich in einen immer massiver werdenden Widerstand
der Betroffenen um.
Der Weg zu mehr Souveränität
Dieser Widerstand und das zunehmende Selbstbewusstsein
der indigenen Bevölkerung, gepaart mit der
Aufbruchstimmung der 60er Jahre (Black Power,
Anti-Vietnam-Bewegung, Studentenrevolte) führte bei den
Politikern erneut zum Umdenken. Angeführt von den
allgemeinen Reformplänen des neugewählten
US-Präsidenten John F. Kennedy zeichnete sich eine
Umkehr der Terminationspolitik der 50er Jahre ab. |
Selbstbestimmung wurde zum
Ziel der neuen Politik erhoben; die Indianer sollten
verstärkte Mitbeteiligung erhalten, wenn es um ihre
Belange ging. Dieser neue Umgang der
amerikanischen Regierung mit den Indianern führte dann
auch durch Präsident Nixon 1970 offiziell zur
Beendigung der Terminationspolitik.
Die Politik der gewaltsamen Beendigung (Termination) der
Beziehungen zwischen den Indianern und der
US-Regierung ist falsch. Die besonderen
Beziehungen zwischen den Indianern und der
Bundesregierung sind das Ergebnis offizieller
Verpflichtungen, die durch die US-Regierung eingegangen
worden sind.
Diese zu beenden ist unpassend. Vielmehr kann und muss
die Selbstbestimmung der Indianer gestärkt
werden. Dies muss Ziel einer jeden neuen nationalen
Politik gegenüber den Indianern sein.
In der Folgezeit entwickelte sich eine konstruktive
Beziehung zwischen den Indianern und der Regierung der
Vereinigten Staaten. In den 70er Jahren wurden dann auch
einige für die Ureinwohner wichtige Gesetze erlassen.
Zu ihnen zählte der "Indian Education Act"
(Ausbildungsgesetz für Indianer) von 1972, welches die
verstärkte Förderung des Bildungsangebotes für
Indianer vorschrieb.
Dadurch sollte die Ausbildung, vor allem auf dem
Schulsektor bei den Indianern verbessert werden, um
ihnen später die Einstiegsmöglichkeit in das
Berufsleben zu erleichtern.
Ein weiterer positiver Meilenstein in der Entwicklung
der Beziehung zwischen Bundesregierung und der indigenen
Bevölkerung war die Verabschiedung des "Indian
Self-Determination and Education Assistance Act" im
Jahre 1975. |
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Es ermächtigte die
verschiedenen Behörden (insbesondere die für
Schulwesen, innere Angelegenheiten und Gesundheitswesen
zuständigen Stellen), direkt mit den einzelnen
Stammesregierungen über entsprechende Programme zu
verhandeln und nicht, wie bis dahin üblich, mit dem
Büro für Indianerangelegenheiten. Weiterhin sah
dieses Gesetz vor, dass das BIA bestimmte Aufgaben per
Kontrakt an die Stammesregierungen abgeben sollte,
sofern diese es wünschten, und die dafür notwendigen
finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt wurden. So
sind, heute auf fast allen Reservationen Polizei und
Gerichte, sowie Sozial- und Gesundheitswesen (neuerdings
auch Wohnungsbauprogramme) Angelegenheit des jeweiligen
Stammes. Allerdings kommen die Gelder dafür weiterhin
aus Washington, und diese Tatsache bringt immer wieder
kontroverse Diskussionen mit sich.
Der 1976 verabschiedete "Indian Health Improvement
Act" sieht die Verbesserung der medizinischen
Versorgung der Reservationsbewohner vor und regelt die
Ausbildung von Indianern auf dem Gebiet des
Gesundheitswesens. Das Jahr 1978 brachte für die
Ureinwohner Nordamerikas gleich zwei bemerkenswerte
Gesetze. Der "Indian Child Welfare Act"
beendete die Möglichkeit, den Indianern ihre Kinder
wegzunehmen und sie ohne Zustimmung der betroffenen
Eltern in nichtindianische Familien unterzubringen (Eine
Maßnahme, die im vorigen Jahrhundert eingeführt wurde,
um den Indianerkindern eine ""gute"
Erziehung zu ermöglichen). Der "American Indian
Religious Freedom Act" stellte Grundsätze zum
Schutz und zur Erhaltung traditioneller Religionsformen
der Indianer auf. Gerade in einer Zeit der
Wiederbesinnung auf die eigenen Traditionen und Werte
spielt diese Vorschrift bei den Indianern eine wichtige
Rolle. |
Wie geht es weiter?
Grundsätzlich ist diese neue Entwicklung zu begrüßen.
Es ist allerdings auch festzuhalten, dass durch einige
Vorschriften in der letzten Zeit die Souveränität der
einzelnen Stämme wieder im verstärkten Maße
ausgehöhlt wurde. Auch die einschneidenden
Sparmaßnahmen, vor allem aus der Regierungszeit von
Ronald Reagan, haben ihre Spuren hinterlassen.
Ebenfalls ist festzustellen, das der Einfluss von
Industrie und konservativen Kräften aus dem Kongress
wieder zunimmt. So tragen einige Gesetzesvorlagen wieder
die Handschrift der alten Indianerpolitik und verhindern
so die Fortführung eines guten Ansatzes für eine
bessere Beziehung zwischen den Indianern und den
Vereinigten Staaten. Die wertvollen Bodenschätze
auf den Reservationen stehen gerade im Zeitalter immer
knapper werdender Ressourcen auf der Liste der
indianerfeindlichen Industriekonzerne ganz weit oben.
Schätzungen gehen davon aus, dass sich unter dem Boden
der Reservationen (sie machen nur noch 2,3% der Fläche
der USA aus) z.B. 70% der Uran-, sowie 25% der Kohle-
und Ölvorkommen befinden. Eine Tatsache, die Schlimmes
erahnen lässt, da bereits jetzt schon sichtbar ist, mit
welcher Macht Unternehmen auf das Indianerland drängen
und sich dabei der Unterstützung der Behörden sicher
sein können. Aus diesem Grunde bietet der positive
Ansatz einer besseren Indianerpolitik keinen Grund für
eine optimistische Zukunftsaussicht. Vielmehr ist zu
befürchten, dass sich – zumindest in einigen
Bereichen – die Zeiten für die Indianer wieder
verschlechtern. Solange die Ureinwohner nicht selbst
vollständig über ihr eigenes Schicksal bestimmen
können und sie weiterhin auf das Wohlwollen der
jeweiligen US-Regierung angewiesen sind, wird sich eine
dauerhafte Eigenständigkeit nicht ergeben. |
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